
Kaderkinder oder First Arsch
Zum Schwimmen geboren und vom Klassenfeind verführt; was soll nur aus dem Bengel werden? Mama im Kader, Papa im Kader und der Bengel sprengt den Anstand der Anständigen. Auf dem Bau taugt er nichts, als Korbflechter bringt er es auch nicht. Großer, starker Bauernkörper, wortkarg noch, für das Metalgeschäft als Diktatorröhre wirds wohl reichen und zum Pyrotechniker, wie seine großen Vorbilder aus den 30ern. Von der Fanbase zum Überflieger zwischem braun- und rotlackiertem Faschismus enthoben. Und jetzt erlauben sie dir nicht mal mehr, diese selbstverliebten Gören zu verdreschen? Du armer Jäger, du verfluchter Angler, der das Recht des Stärkeren doch so sehr liebt: Scheiß strukturelle Gewalt, die einen formte und die die anderen einfach nicht kapieren: Da muß man doch geradezu zu Koks und K.O.-Tropfen greifen!


1
Niemand berichtet vom Anfang der Reise, vom frühen Horror
Betäubt in den Wassern zu schaukeln, vom Druck
In der Kapsel, vom Augenblick, der sie sprengt.
Wochenlang blutig, und das Fleisch wächst amphibisch
Zuckend wie die Frösche Galvanis, in Folie eingeschweißt.
Horchen ist trügerisch und das Strampeln vergeblich
Wo Liebe erwidert und ein Herz schlägt, so nah.
Über Kloschüsseln hängend wie über offenem Grab
Erwacht bald die Scham. Und es gibt kein Zurück
Für die Hände, die Füße, Farnblättchen gleich eingerollt
Oder schlafenden Mücken, für Jahrmillionen im Bernstein.
Bis es die ersten Namen gibt, später, herrscht Dunkel,
Ein Chorus aus Lauten wie Alkohol, Hoden und Elektroden.
Hautfalten kräuseln sich, daß man den Säugling erkennt.
Alles ist vorstellbar, und ein Gehirn schaut herab.
Ein Blitz zaubert Landschaft in leere Augen.
Um als Lurch zu beginnen und zu enden als Mensch …
2
Wer hätte gedacht, daß es so einfach ist, schließlich?
Das Wetter schlägt um, Reste von Gestern lösen sich auf.
Von Station zu Station geht der Körper in härterem Licht.
Als gäbe es wirklich Sprüche, die Regen machen, Regeln
Nach denen verstanden wird, ein Entsetzen, das trägt.
Mit den Tagen kommen die Tode, das »Ich bin der ich bin «.
Unscharfe Photos werden vom Sonnenlicht retuschiert.
Langsam biegt sich der Stachel zurück, kühlt die Wunden.
Der Schatten des Eigenen nimmt der Welt ihr Gewicht.
Zenonis sagitta ab utero (Wenn Schwachköpfe Gier(sch)-Lyriker werden)
Menschen behandeln einander wie Unkräuter. Sie reissen sich gegenseitig raus und bezichtigen sich gegenseitig unnütz zu sein. Aus diesem Vorurteil heraus, bauen sie Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Bahnhöfe, Heime, Gefängnisse und Fabriken. Das Ballspiel der Maya ist dagegen nur eine kurze Lustbarkeit.
Fabian Fabioli, Die Welt von heute, Sao Paulo 1986
I. Kein Logbuch, kein Stundenbuch bei der Geburt. Vielleicht der Klapps, auch ein paar Zeilen im Kardex. Aber nichts über Deine Erinnerungen, vom Werden und Sterben, nach dem Sex: Eines von vielen Spermien, verblödend, schwänzelnd wie ein Hund vor der Wurst, hat das Rennen gemacht und wetten, niemand hatte einen Wettschein bei der großen Lotterie? II. Von diesem Horror weiß keine Zygote etwas. Es ist wie Poker! Wer hat das beste Blatt? Welche Chromosomem bluffen? Trisonomien sind da nur das Halbe "full house"! Zellteilung ist ein Null-Summen-Spiel: Bevor der Igel das Ziel erreicht, ist der Hase schon da: Freu Dich auf Deine Plüschtiere, die noch kommen werden und Dich fast ersticken. III. Vielleicht erwacht schon Dein Pfirsichhirn? Kann sein, es speichert schon Erfahrungen vom Schaukeln nach Tanzen, Achterbahnfahrten und der Druck im Kopf vom Gesöff der Alten berauscht Dich nur und verblödet Dich nicht? Deine Kiemen werden Lungen, Deine Flossen werden Hände, wenn der Igel gewinnt, und aus dem Mol(o)ch lacht bald eine nobles Aliengesicht und nicht Rosmarys Nikotinmärchengeschicht? IV. Was Du von Außerhalb mitbekommst, ist dumpf. Du säufst Pisse und Fruchtwasser im Kreislauf. Und solange Du klein bleibst, kannst Du Dich strecken, rekeln und strampeln. Aber das Blut im Schlauch zu Deinem Bauch läßt Dich wachsen, unbemerkt. Nur die da draussen wissen, dass es Dich gibt und manchmal hörst Du Stimmen , Schreie, Säuseln, Lieder: Aber wer kennt schon Bedeutung im Bauch? V. Dann kommt der Tag, was weißt Du schon, wer Schuld daran hatte, da wandern die Wände auf Dich zu und wie ein Pendel schwingt die Schnur Dir nun zu Füßen, weil alles in diesem Glückspiel seinen geordneten Gang geht, den Du nicht kennst aber noch kennenlernen wirst: Leben ist wie Gift, dass alles dreht, was vernichtbar sein soll; auch Dein Engelslächeln wird sich verlieren und blaue Augen verfärben sich mit dem ersten Atemzug. V. Du bist nichts besonderes: Was Dir widerfährt ist bei Vertebraten üblich. Auch grün oder blau kann es Dir werden, im Feenschlund der Venusgrube: Der Würgeengel wartet auf Dich mit Schnur, ohne Gurt, vielleicht 'ne Zangengeburt? Verkneif's Dir nachzudenken. Will das, was alle wollen: Freiheit aus Blut und Fleisch herausgequollen, um die Kälte zu spüren, die nur Windsbräute blasen. Und aus der Finsternis wirst Du ins Licht gepresst. Doch beides lernst Du erst jetzt verstehen, weil Du den Unterschied spührst, zwischen Tod und Leben. VI. Was ist dies nur? Fragst Du Dich? Trauma sag ich Dir. Schrei nur laut und Schlaf ruhig ein, an der Brust der Abhängigkeit. Vergiß allen Stress und Milch spendet Dir Geschmack des Lebens und vielleicht etwas Zuversicht! Denn wer gerade herrscht oder das Wetter macht, das alles weiß Du nicht. Wer Bomben wirft und Dämme bricht, wer erntet und den Karren schiebt, alle diese Fragen sind noch so fern, auch wenn sie Dir schon jetzt das Leben kosten, koste vom Leben, genieße den Augenblick, in Deiner Mutter Arm, denn mehr gibt es nicht. Das ist nicht der Plan, nicht für Dich oder für mich. Wir reihen uns ein in Pläne anderer; aber kann es sein, dass Deine Geburt mehr verspicht als Hahn'geschrei? VII. Wer Du bist, finds raus. Ich sagte schon, der Tod ist mit Dir, wie eine Pfeil, der Dich bei Deinem Tode trifft, nun abgeschossen ist. Also, finds raus, mein Schatz. Gewinn den Fratzen dieser Welt ein Lächeln ab, solang' Dein Herz pumpt und der Magen brummt. Aber verliebe Dich nicht in dieses Lämmertal, denn nichts bleibt Dir eigen erhalten, was Du nicht wieder hergeben mußt. Lerne schnell und gründlich den Verlust und auch den Abschied halte kurz und gerade. Und begrüße jeden Tag wie ein Angesicht, als sei es dir geschenkt von unbekannten Unnahbaren. Das Bekannte vergiß alsbald, auch aller Metaphern Sinn: Absinth trinkt man pur, mein Kind und teilt es nicht mit Kinderaffen und Giergiraffen! Pustekuchen ist die Pusteblume und Löwenzahn nur Hasenfutter!