Klücksginder
Kant lernt man im
Sandkasten nur am Rand,
wenn man hart mit
dem Kopf aufs Holz schlägt:
Wenn du willst, dass die anderen nicht
schubsen, mußt du lernen, zur
Seite zu gehen.
Wie selbstlos wir waren,
wir Kinder vom Zehntweg.
Keine Eltern,
die ständig dazwischenquatschen.
Nur die olle Hohl,
die ihre Kinder liebte,
wie die Pest das Weihwasser.
Was mußten sie schufften,
als Doppelverdiener,
um die Kohle hernzuschaffen,
um unsere Mäuler zu stopfen.
Da war keine Zeit für Aufsicht.
Und die Mütter dachten,
die anderen Mütter würden’s
schon richten.
Hinter der Mauer, auf dem
Grundstück des Nachbarn
lauerte ein alter, zotteliger,
schmutzig-anthraziter Spitz.
Der roch uns schon von
Weiten, wenn der draußen frei
herumlief und uns verbellte.
Wir fühlten uns hinter der
Mauer sicher und spielten
selbstvergessen,
bis er eines schönen
Sommertages das Loch zwischen
Nachbarmauer und Nachbarzaun
eines anwinkelnden Nachbargeländes fand!
Alle Kinder rannten weg,
doch ich, ich “blindes Kind”,
verloren in Raum und Zeit
des Hirns, bemerkte nichts,
bis er mich erwischte,
in der Kniekehle und mich
verbiß, bis eine Mutter
mich entriß. Ich denk,
es war Frau Kuhles mit
ihren Töchtern.
Ich weiß nicht mehr alles,
was geschah.
Irgendwann landete
ich bei meinen Eltern
auf der Wohnzimmercouch,
genäht und gespritzt
und hörte das Kinderlachen,
das mit der Sonne
durchs Balkonfenster in meine
halbschattige Ecke glitt.
Und ich wußte,
diesen Moment darfst
Du nie vergessen.
Doch, ich vergaß ihn,
bis heute Nacht:
Und nun weiß ich,
daß es kein “Ich” gibt,
nur eine Erinnerung,
die in mir erwacht:
Das “Ich”, die syntaktische “Angel”,
in den Windungen der “Momente”!
( Im selben Sommer bekam ich Epilepsie (Absencen),
durch eine Maserninfektion des Hirns. Neurolgische Ironie!)