Berlin -Hamburg
von Jan Wagner
der zug hielt mitten auf der strecke. draußen hörte
man auf an der kurbel zu drehen: das land lag still
wie ein bild vorm dritten schlag des auktionators.ein dorf mit dem rücken zum tag. in gruppen die bäume
mit dunklen kapuzen. rechteckige felder,
die karten eines riesigen solitairespiels.in der ferne nahmen zwei windräder
eine probebohrung im himmel vor:
gott hielt den atem an.
Wenn seichte Scheiße zur Natur der Lyrik wird
In diesem Land hält immer irgendwo ein Zug auf halber Strecke.
Es gibt kein draußen; am Bahndamm Ausweichgrün der Tagehehler
und Nachtgröhler: Das Hohelied der Roten Beete in Reih und Glied!
Schuppen wie Plakat eines Dorfes gegen Lärmwände gelehnt.
Obstbäume zu Grabmä(h)ler; Eremiten wandeln mit gelben
Kannen vom Kompost zu Regentonnen. Jammernder Giersch.
Glasscherbenverputzte Mauerkannte. Beschirmte
Kasematten im jahreszeitlichen Verschleiß;
Katze jammert um Kitten im Sack.
Milane im yellow cake
Sie parken Wind am Galgenberg.
Wo Drachen mit Milanen flogen, um
Gunst der Thermik, steht nun Himmel still.
Es herrschte Krieg in der Natur, ein guter!
Jeder bekam seine Chance, jeder seinen Anteil.
Nun herrscht ein „Mensch“ in der Natur vor!
Jeder will seinen Anteil für knappe 60 Jahre.
Der Gute, wie der Böse, der Raucher, wie der
Lauscher. Jeder will sein Stück vom Glück.
Wer gerade den Preis für Freundlichkeiten
an der Umwelt bezahlt, wechselt, wie Kurse,
ob sie in Erde oder in Himmel bohren!
Früher war ich bedroht, bedroht bin ich heute.
Ich fotografiere Leiber toter Milane und kann
mich nicht verstehen, warum Atome strahlen.
Grüner, roter, schwarzer Broker… Joker …Joker
Cimetière de Montmartre
Sonne geht auf über achtzehntem
Arrondissement. Widerschein
verfängt sich im verzinkten Gefüge
der Stufendächer: Schattenlitanei.
Auf meinem Morgenspaziergang
zu Heine und Stendhal vorbei
bleibe ich bei Truffaut stehen.
Schwarzer Quader Granit.
Welch ein Kontrast zu Stelenbüste des Deutschen
und der Deutschen Freund Bronzerelief:
Kolossale polierte Ödnis!
Auf diesem Friedhof ruhen die
Toten sogar unter Brücken;
der gewisse Charme der Pariser Bohème!
Umringt von Belle Epoque, Jugendstil
und Art Deco füttere ich die Spatzen
mit Brot vom gestrigen Mittagsmahl:
Bouillabaisse und Daube de boeuf provencal.
Langsam breitet sich die Wärme
zwischen den Gehöften der Großen
aus, und ich genieße das Leben in
vollen Atemzügen am Blauregen:
Geschmack vom gestrigen Merlot;
Unsterblichkeit verborgen in Gelassenheit!
Unwetter auf dem Campingplatz
Himmel fällt zu Boden,
Wolken straucheln über Erlen.
Dicht verhangen, Fleischeslust,
unter Decken und Planen.
Hagel schlägt klimpernd ein.
Engelsmusik in den Ohren
asthmatischer Herzen;
für einen Moment
Hitzestau verweht im opalen
Licht entladener Wolken.
Als erstes, Kinder,
lachend glitschen sie barfuß
über Wiesen. Storch
klappert Segnungen.
Hinten am Anger,
Kühe treten
auf einem fortgewehten
Sonnenschirm herum.
Noch ist sie nicht zu sehen;
aber überall Ahnung und Aderlaß.